Ist schwanger fliegen sicher?

Strahlenbelastung im Flug

Mit steigender Flughöhe lassen Flugzeuge große Teile der vor kosmischer Strahlung schützenden Atmosphäre unter sich. Deshalb ist die Belastung durch ionisierende Strahlung, die sogenannte Höhenstrahlung, im Flug erheblich größer als am Boden:
Auf einem Flug nach New York ist im Mittel eine zusätzliche Belastung durch ionisierende Strahlung von 17 bis 32 Mikrosievert (μSv) zu erwarten, auf einem Flug nach San Francisco mit 45 bis 110 μSv. Zum Vergleich: Die mittlere jährliche Dosis radioaktiver Strahlung beträgt in Deutschland ca. 2100 μSv. Auf einem wenige Stunden dauernden Flug sind auch Schwangere und ungeborene Kinder bis zu 5 % einer Ganzjahres-Dosis ausgesetzt.[1].

Die beiden Bilder zeigen die Anzeige eines Geigerzählers: Das Foto links wurde im Freien (Garten in der Nähe von Frankfurt am Main) aufgenommen, das Foto rechts im Flugzeug zwischen Frankfurt und Ibiza auf Reiseflughöhe.

Höhenstrahlung, Strahlenbelastung im Flug
Geigerzähler

Diese zusätzliche Strahlendosis ist zwar bei weitem zu schwach, um Symptome einer akuten Strahlenkrankheit auslösen zu können, trotzdem sollten sich insbesondere Schwangere über mögliche Langzeit-Folgen von radioaktiver Strahlung auf Föten bewusst sein:

  1. Es gibt epidemiologische Studien, die aufgrund von Tumor-Häufungen bei fliegendem Personal von einer erheblichen Unterbewertung der in großer Höhe vorhandenen Neutronenstrahlung ausgehen[4]. Insbesondere die Bewertung der unterschiedlich schnellen Neutronen und ihre biologischen Folgen wird teilweise deutlich infrage gestellt: So ist nach Bestrahlung mit Neutronen viel schneller eine Veränderung in weißen Blutkörperchen nachweisbar, als dies bei vergleichbarer Röntgen- oder Gammastrahlung der Fall ist[5].’
  2. Wirtschaftliche Interessen stehen gegen eine offene Kommunikation und kritische Bewertung der Strahlenbelastung im Flug.

Höhenstrahlung und Strahlendosis selbst messen

Sie können sie Strahlenbelastung im Flug (wie auch beim Röntgen des Gepäcks) ganz einfach selbst messen. Die folgende Anleitung gilt für diesen Geigerzähler :

Zum Messen der Höhenstrahlung sollten Sie vor der Ankunft am Flughafen den Messwertspeicher zu löschen:

  1. Taste mit den drei Ordner-Symbolen (über der gelben Taste) einmal
    drücken.
  2. Die Pfeiltasten so lange drücken, bis “P del” im Display steht und mit der Eingabe-Taste bestätigen.
    ⇾ Messwerte-Speicher ist jetzt gelöscht!
  3. Noch einmal die Taste mit den drei Ordner-Symbolen drücken und mit den Pfeiltasten “Pr. 1 min” einstellen. Danach mit der Eingabe-Taste bestätigen.
    ⇾ Messwerte werden jetzt alle 1 Minute aufgezeichnet.
  4. (Sinnvoll, aber nicht zwingend erforderlich) Stellen Sie die Warnschwelle hoch, in dem Sie
    a) die Eingabe-Taste drücken (im Display blinkt ein Wert)
    b) stellen Sie mit den Pfeil-Tasten mindestens “10,0” ein.
    c) drücken Sie erneut die Eingabe-Taste.
  5. Stellen Sie den Blenden-Wahlschalter in Mittelstellung (“nur gamma-Strahlung”).
    Fertig!

Nach Ihrer Rückkehr kann der Messwertspeicher ausgelesen werden und die Strahlenbelastung des Fluges im Diagramm dargestellt werden.

In diesem Video hat ein Passagier ein Strahlungsmessgerät (“Geigerzähler”) im Flug mitgeführt. Beachten Sie die unterschiedliche Strahlungsintensität während des Fluges.

Ist fliegen während der Schwangerschaft nun sicher oder nicht?

Für das Fliegen während der Schwangerschaft gibt es zwar Empfehlungen, aber nur wenige gesetzliche Regelungen. Selbst wenn ein Attest eines Arztes die Flugtauglichkeit bescheinigt (Wurde das Attest von einem Flieger-Arzt ausgestellt? Ist der Arzt über Art und Dosis der Strahlung informiert?), sollten Schwangere die Fakten kennen: Nur durch Information und Eigeninitiative ist der Schutz Ihrer eigenen Gesundheit und der Ihres Kindes möglich:

  • Nach der “Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen” (StrlSchV) § 46 Abs. 1 beträgt die maximal zulässige effektive Jahresdosis für Einzelpersonen der Bevölkerung “durch den Umgang mit radioaktiven Stoffen oder durch Anlagen zur Erzeugung von ionisierenden Strahlen” 1 Millisievert bzw. 1000 μSv. Diese Dosis können Sie bereits mit 5 Langstreckenflügen (Hin- und Rückflug) erreichen[3]. “Schwangerschaft” ist in dieser Regelung nicht berücksichtigt.
  • Es gibt keine Studien, die die Langzeit-Wirkung von Höhenstrahlung auf Föten untersuchen. Auch wenn keine unmittelbaren Schäden direkt nach einem Flug feststellbar sind: Es fehlen Informationen über die Langzeit-Wirkung, etwa erhöhte Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten im Verlauf des Lebens.
  • Obwohl die Strahlendosis beim Röntgen oft viel niedriger ist (eine Panorama-Schichtaufnahme des Kiefers belastet mit etwa 7-10 μSv, ein Zahnfilm mit etwa 2,5 μSv) raten Ärzte von vermeidbaren Röntgenaufnahmen insbesondere während der ersten drei Monate der Schwangerschaft ab: In den ersten drei Monaten ist durch eine erhöhte Zellteilung die Gefahr einer Schädigung des Fötus durch radioaktive oder ionisierende Strahlung am größten.[2]

Risiko Beschleunigungen

T-Leitwert Flugzeug

Beschleunigungen können im Flug direkt und indirekt zu Problemen führen:
Gerät ein Flugzeug in schlechtes Wetter, dann können durch Turbulenz Beschleunigungen auftreten, die ein Vielfaches der normalen Erdbeschleunigung betragen.
Während auch länger anhaltende Beschleunigungen von der 2 bis 3-fachen Erdbeschleunigung (z. B. durch Turbulenz, Ausweichmanöver) weder Menschen noch für Flugzeuge ein Problem ist, drückt ein 3 kg schweres Baby in der Gebärmutter nach unten, als würde es 9 kg wiegen.

Aber selbst bei normalen Flugbedingungen und banalen Situationen, z.B. beim Gang auf die Toilette, besteht ein erhöhtes Risiko, durch plötzlich auftretende, unvorhersehbare Turbulenz zu stürzen.

Risiko Evakuierung

Allgemein sind Plätze an einem Notausgang bei Passagieren beliebt, da hier eine größere Beinfreiheit als in den übrigen Reihen vorhanden ist. Sollten Sie sich schwanger zu einer Flugreise entschließen, dann weisen die beim Check-In darauf hin, dass Sie schwanger sind und deshalb ggf. nicht an einem Notausgang sitzen sollten:

Kommt es zu einer Evakuierung des Flugzeuges, dann müssen Sie(!) in der Lage sein, den Notausstieg zu öffnen. Oft werden Sie von den FlugbegleiterInnen vor Beginn des Fluges noch einmal separat darauf hingewiesen.

Das Öffnen des Not-Ausstiegs erfordert körperliche Fitness: Der Notausstieg hat keine Türscharniere, die Tür wird mit samt des Fensters aus der Außenhaut heraus gehoben. Die Tür kann 10-15 kg wiegen! Nach dem Öffnen sind Sie die erste Person, die das Flugzeug über die Tragfläche verlässt. Alle anderen Passagiere sind hinter Ihnen! Sollte es tatsächlich zu einem Notfall (z. B. Rauch in der Kabine) kommen, dann müssen Sie unter Zeitdruck den Notausstieg öffnen und ggf. als Erste aussteigen: Hinter Ihnen sind eventuell noch 50 bis150 weitere, “ungern wartende” Flugreisende.

Fazit

Auf vermeidbare Flüge während der Schwangerschaft sollten Sie lieber verzichten. Insbesondere Langstreckenflüge oder Flüge im Bereich der magnetischen Pole (der magnetische Nordpol ist in Labrador / Kanada) können wegen der Strahlenbelastung nicht als unbedenklich bezeichnet werden. Dies betrifft insbesondere Flüge von Europa nach Nord- und Mittelamerika. Etwas geringerer Dosis sind Passagiere auf Kurzstrecken oder auf einer Flugreise von Europa Richtung Afrika ausgesetzt.

Die kosmische Höhenstrahlung ist normalerweise nicht stark genug, dass es zu kurzfristiger Schädigung des Fötus kommt. Längerfristige Folgen (etwa Erkrankungen im fortgeschrittenen Alter) lassen sich aber nicht ausschließen.

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Quellen

  1. Bundesamt für Strahlenschutz, aus: Kosmische Strahlung beim Fliegen S. 2, Helmholtz-Zentrum München, ausgelesen am 04.06.2013.
  2. Internetseite von Dr. med. dent. Michael M. Dörner, Röntgen, ausgelesen am 05.06.2013.
  3. Bundesministerium der Justiz: Strahlenschutz-Verordnung
  4. Horst Kuni: “Ionisierende Strahlungen und Niedrigdosisstrahlung: Diskussion und Bewertung der Niedrigdosiseffekte, Dosisschwellen, Neubewertung der mutagenen und kanzerogenen Wirkungen, Langzeitwirkung inkorporierter Radionuklide, Radonproblematik”, Kapitel Lockerionisierende Strahlen.
  5. I. Schmitz-Feuerhake: “Neutronen als Strahlenschutzproblem bei Atommülltransporten”, Strahlentelex Nr. 532-533/2009, , Kapitel Lockerionisierende Strahlen.

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